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Stefanie (16 Jahre)

Ich habe schon seitdem ich sprechen kann immer mit einem bestimmten Haken gesprochen. Als ich etwa vier Jahre alt war, wurde mein Stottern richtig schlimm. Der Grund dafür war wahrscheinlich, dass mein Vater auf einmal nicht mehr nach Hause gekommen ist. Auf jeden Fall fingen dann auch schon die Hänseleien im Kindergarten an. Schon da fing ich an zu vermeiden.

Ich sprach immer weniger und wurde vom aufgeweckten jungen Mädchen zum ruhigen schüchternen Außenseiter.

Kaum jemand, bzw. so gut wie keiner, spielte mehr mit mir und wenn ich dann doch jemanden gefunden hatte, bzw. wenn mich jemand gefragt hatte und dieses Kind merkte dann wie komisch ich sprach, wurde ich ausgelacht. Das ging immer so weiter. Da meinte der Hals- Nasen- Ohrenarzt noch, das Stottern würde sich wieder legen und dass das normal sei, dass kleine Kinder mal eine Phase haben, wo sie stottern.

Als ich in die Grundschule kam, bekam ich meine erste ambulante Sprachtherapie, weil da genau dasselbe Spiel war. Was mich wunderte war aber, dass es tatsächlich 2 Jungs gab denen das total egal war, dass ich stotterte. Die ambulante Therapie hatte erst ganz gut angeschlagen, jedoch legte sich die Wirkung auch bald wieder.

Die Jahre in der Grundschule gingen immer schwankend weiter: mal mit viel Freude aber meistens mit viel Angst, ausgelacht zu werden. Ich weiß noch wie wir einmal alle ein Gedicht aufsagen mussten und ich schaffte tatsächlich in 15 Minuten nur zwei Zeilen… Das war das Schlimmste für mich - vor anderen Kindern zu reden, vor allem vor so vielen. Die Klasse war erst ruhig und als meine Lehrerin dann sagte ich solle mich doch lieber wieder hinsetzen, lachte die ganze Klasse laut los oder bzw. die meisten der Klasse. Kaum vorstellbar, wie gemein kleine Grundschulkinder schon sein können. Auf jeden Fall wurde dadurch alles nur noch viel schlimmer. Ich stotterte ungelogen bei jedem Wort und den Satzanfang bekam ich auch so gut wie gar nicht mehr raus. Ich freute mich riesig auf die weiterführende Schule.

Ich kam aufs Gymnasium und meine Mutter war megastolz auf mich, was nicht wirklich oft vorkam. Aber da war nicht mal ein Mitschüler, der mit mir sprach. Da wurde ich zum richtigen Außenseiter.

Der ganze Stress zeigte sich auch in meinen Schulnoten.

Ich schrieb nur noch 5en und 6en. Einmal war meine Klassenlehrerin eine ganze Woche nicht da und in dieser Woche bin ich einfach nicht zur Schule gegangen. Es hat heute noch keiner rausgekriegt/bemerkt, dass ich da gefehlt habe.

Anfang des 6. Schuljahres wechselte ich zur Hauptschule weil das Gymnasium keinen Sinn mehr für mich hatte. Auf dieser Schule ging es so einigermaßen. Eine aus der Klasse war meine alte Nachbarsfreundin gewesen und sie nahm mich vor allem in Schutz. Klar, ich hatte mir in den ganzen Jahren eine fast wasserdichte Vermeidungsstrategie ausgedacht, aber wenn man neu in eine Klasse kommt, ist man so aufgeregt, dass das gar nicht so gut klappt. Dass auch da noch Leute waren, die hinter meinem Rücken über mich ablästerten, war mir natürlich klar, aber ich ließ mir nichts anmerken und versuchte so hart wie möglich zu bleiben, obwohl mein Selbstbewusstsein, was ich mir langsam wieder aufgebaut hatte, wieder drastisch sank. Irgendwann hatte ich dann davon auch nichts mehr.

Ich traute mich noch nicht mal mehr mit jemanden zu streiten oder mich zu verteidigen und habe mich fertig machen lassen, weil ich Angst hatte, dass wenn ich mich wehre, dass ich dann stottern muss.

Mit den Jahren hatte ich von 365 Tagen im Jahr nur noch ca. 15% an Tagen, wo ich glücklich war. Ich entfernte mich immer mehr von den Leuten, weil es mir einfach viel zu peinlich war.

Nach zwei Jahren ging es dann so einigermaßen wieder. Ich bekam sogar mehrere Freunde (also im Sinn von mit Jungs zusammen sein), aber auch vor den Jungs, denen es egal war, wollte ich nur reden, wenn es auch 100%ig sicher war, dass ich nicht stottern müsste. Ich konnte noch nicht mal mehr sagen, was ich wollte und was nicht. Ich meldete mich gar nicht mehr im Unterricht und auch die 2. Sprachtherapie brachte nur einen kurzen und sehr kleinen Erfolg. Auch meine Noten sanken wieder rapide ab.

Als meine Mutter mich am Ende des 9. Schuljahres rauswarf, weil ihr Freund sie zur Wahl gestellt hatte (Ich oder Er), wurde alles wieder viel schlimmer. Ich zog zu meiner Freundin, wo es aber nicht lange gut ging und dann zu meiner Tante und meinem Onkel, wodurch ich wieder die Schule wechseln musste. Ich wiederholte die 9. Klasse noch, um noch eine Chance auf 10 B zu haben. Schon nach ein paar Tagen fand ich eine richtig gute Freundin. Wir waren fast ein Jahr richtig gut befreundet, aber dann lästerte sie hinter meinem Rücken über mein Stottern ab, äffte mich nach.

Sie gab mir den Spitznamen "Stottersteffi", wie mich bald die ganze Schule nannte.

Ich wurde sogar schief angemacht, weil die Lehrer mich bevorzugten. Ich musste nicht vorlesen und ich musste bei meiner Nachprüfung für die 10 B keine mündliche Prüfung absolvieren sondern noch eine schriftliche.

Dann erfuhr ich von meiner Logopädin (die DRITTE ambulante Sprachtherapie) von einer Intensivtherapie. Ich war sofort total begeistert und wollte unbedingt dahin. Ungefähr ein Jahr später stand ich dann in meinem dortigen Zimmer. Diese Therapie hat mein Leben total verändert. Ich melde mich viel mehr im Unterricht, kann sagen, was ich sagen will und was ganz wichtig ist: ich habe keine Angst davor, dass jemand über mich lacht und habe volles Selbstbewusstsein. Ich habe eine gute Freundin, die hinter mir steht und wer über mich lacht oder lästert, ist mir egal. Derjenige hat es nicht verdient mich überhaupt zu kennen. Durch die erlernten Techniken kann ich auf jeden Fall viel besser reden. Und darüber bin ich richtig froh. Ich bin sehr glücklich darüber, dass ich jetzt "vernünftig" reden kann und dass es sowas wie diese Therapie gibt.