Wie ihr sicher wisst, war ich jetzt 5 Wochen in der Stottertherapie, um zu lernen, mein Stottern, was Einigen von euch mehr, den Anderen weniger aufgefallen ist, zu kontrollieren.
Ein wichtiger Baustein dieser Therapie war das Thema Offenheit bzw. wie man selber zu seinem Stottern steht.
Was ihr gesehen oder gehört habt war ein Mensch, der gerne Spaß macht und mal mehr und mal weniger stottert und der eigentlich immer fröhlich aussah. Was jedoch keiner (selbst mein bester Freund usw. nicht) von euch jemals gesehen hat oder sehen konnte, war wie ich mich eigentlich gefühlt habe, bevor ich mich z. B. gemeldet habe oder plötzlich drangenommen wurde. Sofort kam die Angst, das Wort nicht rauszubekommen, dass andere Kommentare dazu abgeben oder sogar lachen. Das kam häufiger vor in meinen 12 Jahren Schule.
Ein Stotterer lebt jeden Tag, Stunde für Stunde und Minute für Minute mit der Angst zu stottern.
Wenn ich vor meinen guten oder besten Freunden gestottert habe, dann war das nie wirklich schlimm für mich, obwohl dort auch ab und zu Sprüche kamen, die einen auf Dauer schon verletzen. Aber wenn ich vor neue, unbekannte Leute trat, versuchte ich mich immer so selbstbewusst wie möglich zu geben in der Hoffnung, das Stottern dann einen Moment zu verdrängen. Jedoch klappte das meistens sowieso nicht, da das Stottern kommt wann es will.
Es gibt eine Person, bei der ich so gut wie nie stottern muss, und das ist meine Freundin. Viele Stotterer haben das Selbe erlebt: dass bei dem Partner die so genannten Stottergefühle einfach weg sind. Das liegt daran, dass ich mich bei ihr einfach wohl fühle und keine Angst zu haben brauche, vielleicht doch mal zu stottern. Obwohl mir das früher unendlich peinlich gewesen wäre!
Ich hatte vorhin das Thema „Offenheit“ angesprochen, und ich will euch mit diesem Beitrag so genau und offen wie möglich über mein Sprechen informieren. Es ist wichtig, offen mit dem Stottern umzugehen.
Ich habe früher einzelne Situationen gemieden.
Zum Beispiel hätte ich gerne als Schülersprecher kandidiert und ein „hammer Team“ auf die Beine gestellt, jedoch die Angst, vor 1000 Schülern viel und lang sprechen zu müssen, war zu groß. Ich habe manchmal Sätze so umgestellt, dass sie grammatikalisch zwar falsch waren, ich sie aber so einfacher sagen konnte. Oder falls ich sagen wollte: „Ich kaufe mir ein Auto“, und ich merkte, bei „Auto“ bleibe ich hängen, dann habe ich diesen Satz einfach in „Ich kaufe mir einen Wagen“ umgeändert. Auch ist euch bestimmt aufgefallen, dass ich viele Füllwörter wie „ähh“, „mh“, „halt“, „hier“, „dings“ und so weiter benutzt habe. Das fällt alles unter den Fachbegriff „Sekundärsymptomatik“, also Symptome, die zum eigentlichen Stottern noch hinzukommen. Bei Einigen bilden sie sich mehr aus, bei Anderen weniger; ich hatte zwar auch welche, aber eher unauffällige wie diese so genannten Füllwörter und die Vermeidung. Dazu gehört auch Vermeiden von Blickkontakt oder Augen weiten.
Ich war immer offen gegenüber meinem Stottern - wenn mich jemand was darüber gefragt hat z. B., aber insgeheim fiel es mir schon ein wenig schwer, darüber zu reden.
In der Therapie lernt man sein Sto-Sto-Stottern zu zeigen, egal in welcher Le-Le-Lebenslage.
Das ist wichtig und gibt Selbstvertrauen.
Zuerst haben wir unsere Stotterer lo-lo-locker rausgesprochen, dabei ging es auch darum, die Symptomatik/Stottergefühle frühzeitig wahrzunehmen. Das verlangt von uns von morgens bis abends volle Konzentration auf unsere Sprechweise. Nach einiger Zeit setzte die Stotterkontrolle, kurz: Stoko ein, in der ich jetzt spreche. Die Stoko dehnt die Wörter, und man beginnt das Wort mit einer so genannten „kleinen Stimme“. Mit dieser Technik fällt es mir jetzt unglaublich viel leichter zu reden bzw. auch wirklich das zu sagen, was ich auch sagen will und nicht zu vermeiden oder umzustellen. Kurz
Ich lerne, mein Stottern zu kontrollieren, denn Stottern ist nicht heilbar.
Es ist auch nicht – wie viele denken – eine psychische Krankheit, sondern eine organisch bedingte. Es ist verdammt wichtig, die Techniken, die wir gelernt haben auch wirklich anzuwenden, denn es nützt gar nichts, sich selber zu belügen und zu denken die Technik zu machen, sich aber bei vielen Situationen wegen Scham oder ähnlichem nicht zu trauen. Das würde dazu führen, dass ich langsam in mein altes Stottermuster zurückfalle. Deswegen die Bitte auch an euch: gebt mir Rückmeldung, wenn ich mal zu schnell spreche bzw. wenn ihr merkt, dass ich schon zu flüssig werde. Man kostet als Stotterer gerne mal diese Momente aus, in denen man merkt, dass jetzt einfach alles stimmt und man beruhigt reden kann. In der Phase, in der ich mich momentan befinde ist es das Ziel, die Stoko zu festigen, was auch heißt, da ich nicht so viele Stottergefühle habe, ab und zu pseudo (extra) zu stottern. Bitte erwartet nicht von mir, dass ich stotterfrei bin nach dieser Therapie. Ich kann das Stottern zwar gewissermaßen bekämpfen, aber es wird immer da sein!